Analyse eines Schadensfalls: Insektenbefall durch gewöhnlichen Nagekäfer im Scheunengebäude – Stiel, Ständer und Strebe unter der Mittelpfette

1. Einleitung

Der gewöhnliche Nagekäfer (Anobium punctatum) ist einer der häufigsten Holzschädlinge, der vor allem Splintholz befällt. In diesem Fall wurden Stiel, Ständer und Strebe unter der Mittelpfette eines Scheunendachstuhls von Insektenbefall betroffen, was potenziell die Tragfähigkeit der Konstruktion beeinträchtigt. Mithilfe einer Bohrwiderstandsmessung wurde die Stabilität des Holzes überprüft. Dieser Artikel analysiert die Ursachen, beschreibt die Prüfmethoden und gibt Empfehlungen zur Sanierung.


2. Schadensbeschreibung

Gebäudetyp:
Scheune, Baujahr um 1900, Dachstuhl mit Holztragwerk (Stiel- und Strebenkonstruktion).

Symptome:

  • Sichtbare Fraßgänge und Ausfluglöcher (1–2 mm Durchmesser) im Splintholzbereich von Stiel, Ständer und Strebe.
  • Holzmehlansammlungen auf dem Boden, besonders nach wärmeren Perioden (Hinweis auf aktiven Befall).
  • Kein sichtbarer Befall im Kernholz.
  • Prüfungen mit Bohrwiderstandsmessung zeigen in bestimmten Bereichen eine reduzierte Materialdichte.

3. Ursachenanalyse

1. Insektenbefall durch gewöhnlichen Nagekäfer

  • Mechanismus:
    Der gewöhnliche Nagekäfer befällt vor allem Splintholz mit einem Feuchtegehalt von 10–30 %. Die Larven bohren Fraßgänge ins Holz, wodurch die Struktur geschwächt wird.
  • Begünstigende Faktoren:
    • Hohe Luftfeuchtigkeit in der Scheune, die den Feuchtegehalt des Holzes im optimalen Bereich für den Nagekäfer hält.
    • Unbehandeltes oder nicht ausreichend geschütztes Holz.

2. Splintholzanfälligkeit

  • Mechanismus:
    Splintholz hat eine geringere Dichte und Widerstandsfähigkeit gegen Insektenbefall im Vergleich zu Kernholz.
  • Konsequenzen:
    Beschädigungen durch den Befall konzentrieren sich auf die äußeren Schichten, während das Kernholz oft unversehrt bleibt.

3. Mangelnder Schutz des Dachstuhls

  • Mechanismus:
    Offene Konstruktion und fehlender Schutz vor Feuchtigkeit begünstigen das Eindringen von Insekten.

4. Altersbedingte Holzschwächung

  • Mechanismus:
    Durch natürliche Alterung verliert das Holz an Elastizität und Widerstandskraft, wodurch es anfälliger für Schädlinge wird.

4. Prüfung durch Bohrwiderstandsmessung

1. Ziel der Messung

  • Überprüfung der Resttragfähigkeit des Holzes durch Bestimmung der Materialdichte entlang der Bohrachse.

2. Durchführung

  • Bohrungen an Stiel, Ständer und Strebe im Abstand von 20 cm in verdächtigen Bereichen (z. B. nahe Fraßlöchern).
  • Messung des Widerstands, den das Holz dem Bohrer entgegensetzt.

3. Ergebnisse

  • Reduzierter Widerstand im Splintholzbereich (Abweichungen bis zu 30 % gegenüber unbefallenen Referenzbereichen).
  • Kernholz unbeschädigt, mit normalem Bohrwiderstand.

4. Interpretation

  • Befall begrenzt sich auf das Splintholz, während die Kernholzstruktur stabil bleibt.
  • Tragfähigkeit der betroffenen Bauteile ist lokal reduziert, aber insgesamt noch vorhanden.

5. Gefahren und Risiken

1. Reduzierte Tragfähigkeit

  • Die Fraßgänge im Splintholz schwächen die Stiel-, Ständer- und Strebenkonstruktion, was zu einer Überlastung oder sogar einem Bruch führen kann.

2. Weiterer Befall

  • Ohne Behandlung kann der Befall fortschreiten und die Tragfähigkeit weiter reduzieren.

3. Feuchtigkeitsschäden

  • Durch die Kombination aus Insektenbefall und erhöhter Feuchtigkeit können sekundäre Schäden wie Schimmel oder Fäulnis auftreten.

6. Sanierungsmethoden

1. Sofortmaßnahmen

  • Trockenhaltung:
    • Reduzierung der Luftfeuchtigkeit im Gebäude durch Lüftung oder den Einsatz von Entfeuchtern (Ziel: Holzfeuchte unter 10 %).
  • Mechanische Entfernung des Schädlingsbefalls:
    • Abtragen stark geschädigter Splintholzbereiche, wenn keine statischen Probleme auftreten.

2. Bekämpfung des Insektenbefalls

  • Heißluftverfahren:
    • Erhitzen der betroffenen Holzteile auf über 55 °C für mindestens 60 Minuten, um Larven und Eier abzutöten.
    • Vorteil: Chemiefrei und effektiv bei lokal begrenztem Befall.
  • Chemische Holzschutzmittel:
    • Behandlung mit Insektiziden, die tief ins Holz eindringen (z. B. Bor-haltige Präparate).
    • Einsatz bei großflächigem Befall oder wenn Heißluftverfahren nicht möglich ist.

3. Verstärkung der geschwächten Bereiche

  • Lokale Verstärkung:
    • Anbringen von Verstärkungen (z. B. Holzschwesterungen oder Stahlprofile) an Stiel, Ständer und Strebe.
  • Austausch stark geschädigter Teile:
    • Ersatz der befallenen Holzbauteile durch neues, vorbehandeltes Holz (Kernholz bevorzugt).

4. Prävention

  • Oberflächenschutz:
    • Auftragen eines präventiven Holzschutzmittels, das das Eindringen von Feuchtigkeit und weiteren Insektenbefall verhindert.
  • Baulicher Feuchtigkeitsschutz:
    • Verbesserung der Dach- und Wandabdichtung, um Feuchtigkeit fernzuhalten.

7. Präventionsempfehlungen

1. Regelmäßige Kontrolle

  • Inspektion des Dachstuhls alle 1–2 Jahre auf Fraßlöcher, Holzmehl und andere Anzeichen von Schädlingsbefall.

2. Trockenhaltung des Holzes

  • Sicherstellung, dass die Holzfeuchte unter 10 % bleibt, um die Lebensbedingungen für Holzschädlinge zu eliminieren.

3. Holzschutzbehandlung

  • Regelmäßige Behandlung mit präventiven Holzschutzmitteln.

4. Nutzung widerstandsfähiger Hölzer

  • Bei Austauscharbeiten Verwendung von Kernholz oder vorbehandeltem Holz, das resistenter gegen Insektenbefall ist.

8. Fazit

Der Befall durch den gewöhnlichen Nagekäfer im Splintholzbereich von Stiel, Ständer und Strebe stellt eine ernstzunehmende Gefahr für die Tragfähigkeit des Dachstuhls dar. Die Bohrwiderstandsmessung zeigt, dass das Kernholz weitgehend unbeschädigt ist, was eine gezielte Sanierung ermöglicht. Durch Kombination von Bekämpfungsmaßnahmen und Prävention kann die Stabilität des Dachstuhls nachhaltig gesichert werden.


Dieser Artikel bietet eine fundierte Analyse und praktische Lösungen, um Schädlingsbefall in Holzkonstruktionen effektiv zu bekämpfen und zukünftige Schäden zu vermeiden.

Charles Knepper

öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger der Handwerkskammer Halle/Saale seit 1997

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