Analyse eines Schadensfalls: Verformung einer Pfette im Scheunendachstuhl (Pfettendachstuhl)

1. Einleitung

Verformungen an tragenden Elementen in einem Dachstuhl, wie einer mittleren Pfette, können gravierende Auswirkungen auf die Tragfähigkeit und Stabilität des gesamten Bauwerks haben. In diesem Fall hängt die mittlere Pfette eines Pfettendachstuhls mittig um 4 cm durch, während die Auflagerpunkte nahe den Giebeln unverändert stabil erscheinen. Der Artikel analysiert die Ursachen dieser Verformung, die potenziellen Gefahren und mögliche Sanierungslösungen.


2. Schadensbeschreibung

Gebäudetyp:
Scheune, Baujahr um 1900, Dach mit Holzpfetten und Ziegeldeckung.

Symptome:

  • Mittlere Pfette zeigt eine deutliche Durchbiegung von 4 cm in der Mitte.
  • Linke und rechte Auflagerpunkte nahe den Giebeln weisen keine sichtbaren Veränderungen oder Schäden auf.
  • Keine akuten Bruchstellen oder sichtbaren Risse im Holz.

Hintergrund:

  • Regelmäßige Nutzung des Dachstuhls für Lagerzwecke.
  • Starke Belastung durch Schneelasten in der Region, insbesondere im Winter.
  • Keine Modernisierung oder Verstärkung des Dachstuhls seit der Errichtung.

3. Ursachenanalyse

1. Materialermüdung der Pfette

  • Mechanismus:
    Holz verliert im Laufe der Zeit durch Alterung und Belastung seine Elastizität. Wiederholte Lastwechsel, z. B. durch Wind- und Schneelasten, führen zu einer dauerhaften Verformung.
  • Begünstigende Faktoren:
    • Hohe statische Belastung durch Dachlasten (Dachziegel, Schnee).
    • Keine Verstärkungen oder modernisierte Konstruktionen seit der Errichtung.
  • Konsequenzen:
    Mittige Durchbiegung aufgrund unzureichender Tragfähigkeit des Holzes.

2. Unzureichende Querschnittsdimension der Pfette

  • Mechanismus:
    Die ursprüngliche Dimensionierung der Pfette ist möglicherweise nicht ausreichend für die aktuell auftretenden Lasten.
  • Begünstigende Faktoren:
    • Eventuell schwerere Dachdeckung durch spätere Änderungen (z. B. Austausch von Holzschindeln durch Ziegel).
    • Keine Berücksichtigung von Schneelasten bei der ursprünglichen Planung.

3. Ungenügende Unterstützung durch Sparren oder Stützen

  • Mechanismus:
    Der mittlere Bereich der Pfette wird durch unzureichend steife oder schlecht dimensionierte Sparren nicht ausreichend abgestützt.
  • Konsequenzen:
    Zusätzliche Belastung des mittleren Bereichs der Pfette, was die Durchbiegung verstärkt.

4. Feuchtigkeitseinwirkung und Holzschwund

  • Mechanismus:
    Wiederholte Feuchtigkeitseinwirkung (z. B. durch undichtes Dach) kann die Tragfähigkeit des Holzes beeinträchtigen, indem es quillt oder Risse bildet.
  • Begünstigende Faktoren:
    • Mangelhafter Schutz des Holzes vor Witterungseinflüssen.
    • Langfristige Austrocknung oder Holzschwund nach Feuchtigkeitseinwirkung.

4. Gefahren und Risiken

1. Stabilitätsverlust des Dachstuhls

  • Eine fortschreitende Verformung kann die Lastverteilung im Dachstuhl verändern und andere Elemente (z. B. Sparren, Zangen) übermäßig belasten.

2. Einsturzgefahr bei hoher Schneelast

  • Bei weiterer Durchbiegung steigt die Gefahr eines plötzlichen Versagens der Pfette unter zusätzlichen Lasten, wie durch Schnee oder Wind.

3. Schäden an der Dachdeckung

  • Durch die Verformung der Pfette kann sich das Dach verschieben, was zu Undichtigkeiten oder Schäden an der Dachdeckung führt.

5. Sanierungsmethoden

Kurzfristige Maßnahmen (zur Sicherung):

  1. Abstützen der Pfette:
    • Temporäre Unterstützung der mittleren Pfette durch Unterzüge oder Stützen, um die Lastverteilung zu stabilisieren.
    • Einsatz von Stahl- oder Holzstützen, die mittig unter der Pfette angebracht werden.
  2. Lastreduktion:
    • Entfernen von übermäßigen Lasten (z. B. Schneeräumung im Winter).
    • Begrenzung der Nutzung des Dachraums, um zusätzliche Belastungen zu vermeiden.

Langfristige Sanierungsmaßnahmen:

  1. Verstärkung der Pfette:
    • Anbringen eines zusätzlichen Balkens (Schwesterpfette) neben der bestehenden Pfette, der mit Schrauben oder Bolzen fest verbunden wird.
    • Verwendung von Stahlprofilen zur Verstärkung, die entlang der Pfette montiert werden.
  2. Einbau von Stützen oder Streben:
    • Einfügen einer oder mehrerer vertikaler Stützen unter der Pfette, die auf tragfähigem Untergrund abgestützt werden.
    • Alternative: Einbau von schrägen Streben (z. B. vom Sparren zum Fußpunkt der Pfette), um die Last besser abzuleiten.
  3. Kompletter Austausch der Pfette:
    • Falls die Pfette strukturell stark geschädigt oder unterdimensioniert ist, sollte sie durch eine neue Pfette mit ausreichendem Querschnitt ersetzt werden.
    • Verwendung von Leimholzträgern, die höhere Tragfähigkeiten und Formstabilität bieten.
  4. Modernisierung des Dachstuhls:
    • Prüfung und Anpassung der gesamten Dachkonstruktion, z. B. durch zusätzliche Zangen oder Zugbänder zur Verbesserung der Stabilität.
    • Integration moderner Materialien wie Stahlträger zur Unterstützung der Holzstruktur.

6. Präventionsempfehlungen

1. Regelmäßige Inspektion

  • Jährliche Kontrolle des Dachstuhls auf Verformungen, Feuchtigkeitsschäden oder Risse im Holz.

2. Lastreduktion planen

  • Regelmäßiges Entfernen von Schnee und Überprüfung der Dachdeckung auf unnötige Zusatzlasten.

3. Dimensionierung prüfen

  • Bei Änderungen an der Dachdeckung oder Nutzung des Dachraums sollten die statischen Anforderungen überprüft werden, um Überlastungen zu vermeiden.

4. Feuchtigkeitsschutz

  • Sicherstellen, dass das Dach dicht ist und die Holzbauteile vor Feuchtigkeit geschützt sind.

7. Fazit

Die Durchbiegung der mittleren Pfette in einem Pfettendachstuhl um 4 cm ist ein ernstzunehmendes Problem, das auf Materialermüdung, unzureichende Dimensionierung oder Feuchtigkeitseinwirkung hinweist. Eine Kombination aus temporären Sicherungsmaßnahmen und langfristigen Sanierungsmaßnahmen, wie der Verstärkung oder dem Austausch der Pfette, ist notwendig, um die Stabilität des Dachstuhls zu gewährleisten.

Charles Knepper

öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger der Handwerkskammer Halle/Saale seit 1997

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