Was ist eigentlich ein Umgebindehaus ?

Das Umgebindehaus ist eine einzigartige und historisch bedeutsame Bauweise, die vor allem in ländlichen Regionen der Oberlausitz, in Sachsen, sowie in angrenzenden Gebieten Tschechiens und Polens zu finden ist. Diese Häuser sind ein bedeutendes Kulturgut und repräsentieren eine traditionelle Bauweise, die seit Jahrhunderten das ländliche Erscheinungsbild dieser Regionen prägt.

Bauweise und Architektur des Umgebindehauses

Das Umgebindehaus vereint Elemente der Blockbauweise und des Fachwerkbaus in einer einzigartigen Kombination. Charakteristisch für diese Bauweise ist das Umgebinde, ein hölzerner Rahmen, der das Erdgeschoss umgibt und die Lasten der darüber liegenden Stockwerke sowie des Daches trägt. Der untere Teil des Hauses, das sogenannte Blockhaus, besteht oft aus massiven Holzbohlen und ist in Blockbauweise errichtet. Über diesem Blockhaus wird das Obergeschoss in Fachwerkbauweise konstruiert, das auf den Stützen des Umgebindes ruht.

Diese Bauweise entstand vermutlich im 15. oder 16. Jahrhundert und diente ursprünglich dazu, die Holzblockbauten von den Lasten des darüber liegenden Fachwerkbaus und des Daches zu entlasten. Die Holzkonstruktion des Umgebindes ermöglicht es, den Blockbau frei von vertikalen Lasten zu halten, was besonders in Regionen mit feuchtem Klima und starkem Holzschwund von Vorteil war.

Bedeutung im ländlichen Raum

Im ländlichen Raum hatte das Umgebindehaus eine große Bedeutung, da es sich durch seine robuste Bauweise und die Möglichkeit der Erweiterung und Anpassung an die Bedürfnisse der Bewohner auszeichnete. In den Dörfern und ländlichen Siedlungen der Oberlausitz und angrenzender Gebiete prägten Umgebindehäuser das Ortsbild und waren oft in Kombination mit landwirtschaftlichen Nutzgebäuden wie Scheunen und Ställen zu finden.

Das Umgebindehaus bot nicht nur Wohnraum, sondern diente auch als Arbeitsstätte, insbesondere für Handwerker und Kleinbauern. Die Bauweise ermöglichte es, die Gebäude flexibel an die wachsenden Anforderungen einer bäuerlichen Lebensweise anzupassen. Zudem bot der Bau Schutz vor den klimatischen Bedingungen und war durch die Verwendung von lokalem Holz und regionaltypischen Bauformen gut an die Umwelt angepasst.

Denkmalschutz und kulturelle Bedeutung

Heute stehen viele Umgebindehäuser unter Denkmalschutz, da sie ein bedeutendes Zeugnis der ländlichen Baukultur und der handwerklichen Traditionen der Region darstellen. Der Erhalt dieser Gebäude ist nicht nur aus architektonischer Sicht wichtig, sondern auch aus kultureller Perspektive, da sie die Geschichte und Identität der ländlichen Gemeinschaften widerspiegeln.

Der Denkmalschutz für Umgebindehäuser umfasst verschiedene Aspekte, darunter die Bewahrung der traditionellen Bauweise, die Erhaltung der historischen Bausubstanz und die Sicherstellung, dass Restaurierungen und Renovierungen im Einklang mit den ursprünglichen Bauprinzipien erfolgen. Oftmals erfordert dies eine enge Zusammenarbeit zwischen Denkmalpflegern, Architekten und den Eigentümern der Gebäude.

Besonderheiten und Herausforderungen

Die besonderen Herausforderungen beim Erhalt von Umgebindehäusern liegen in der Sicherstellung der baulichen Integrität und der Anpassung an moderne Wohnbedürfnisse. Da viele dieser Häuser über Jahrhunderte hinweg genutzt wurden, sind sie oftmals von altersbedingtem Verfall betroffen. Die Erhaltung der Holzstrukturen, insbesondere der Umgebinde-Konstruktion, erfordert spezielle handwerkliche Kenntnisse und Materialien.

Ein weiteres Merkmal der Umgebindehäuser ist ihre Anpassungsfähigkeit. Trotz der historischen Bauweise können diese Gebäude durch behutsame Modernisierungen den heutigen Wohnstandards angepasst werden, ohne ihren historischen Charakter zu verlieren. Dies macht sie nicht nur zu einem wertvollen Erbe, sondern auch zu attraktiven Wohnobjekten in ländlichen Regionen.

Fazit

Das Umgebindehaus ist weit mehr als nur ein architektonisches Relikt aus vergangenen Zeiten. Es ist ein lebendiges Zeugnis der ländlichen Kultur und Bauweise, das bis heute die Landschaft in Teilen Deutschlands, Tschechiens und Polens prägt. Der Schutz und die Pflege dieser Häuser sind von großer Bedeutung, um die kulturelle Identität und das handwerkliche Erbe der Region zu bewahren. Gleichzeitig bieten Umgebindehäuser ein Beispiel dafür, wie traditionelle Bauweisen auch in der modernen Zeit genutzt und geschätzt werden können.

Charles Knepper

öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger der Handwerkskammer Halle/Saale seit 1997

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