Was ist eigentliche ein Fachwerkhaus ?

Ein Fachwerkhaus ist eine traditionelle Bauweise, bei der ein tragendes Gerüst aus Holz sichtbar bleibt und die Zwischenräume, die sogenannten Gefache, mit verschiedenen Materialien wie Lehm, Stroh, Steinen oder Ziegeln ausgefüllt werden. Fachwerkhäuser gehören zu den ältesten und weit verbreitetsten Bauweisen in Europa und sind insbesondere in Deutschland, Frankreich und Großbritannien stark vertreten. Sie sind nicht nur ein architektonisches Erbe, sondern auch ein Symbol der handwerklichen Baukunst und regionalen Baukultur.

Aufbau eines Fachwerkhauses

Der Aufbau eines Fachwerkhauses ist durch die Verwendung von Holz als Hauptbaustoff geprägt. Das tragende Gerüst besteht aus senkrechten Ständern, waagerechten Riegeln und schrägen Streben, die miteinander verzapft oder verbunden sind. Die Zwischenräume, die Gefache, werden mit verschiedenen Materialien gefüllt, die je nach Region und Epoche variieren können. Typische Füllmaterialien sind:

  • Lehm und Stroh: Diese Mischung wird als Lehmmörtel in die Gefache eingebracht. Sie bietet gute Isolierungseigenschaften und ist leicht verfügbar.
  • Steine oder Ziegel: In späteren Epochen oder in wohlhabenderen Regionen wurden oft Ziegel oder Natursteine verwendet, um die Gefache zu füllen.
  • Fachwerk mit verputzten Gefachen: In einigen Regionen wurden die Gefache verputzt, was dem Gebäude eine glatte Fassade verlieh.

Die tragenden Holzbalken bleiben in der Regel sichtbar und geben dem Fachwerkhaus sein charakteristisches Aussehen. Manchmal sind die Balken kunstvoll geschnitzt oder bemalt, was das Fachwerkhaus zusätzlich verziert und seine handwerkliche Qualität unterstreicht.

Geschichtliche Entwicklung

Fachwerkhäuser haben eine lange Tradition, die bis ins Mittelalter zurückreicht. Die ältesten bekannten Fachwerkhäuser stammen aus dem 12. Jahrhundert, doch diese Bauweise entwickelte sich bereits in der Antike. Im Mittelalter erreichte das Fachwerk in Mitteleuropa seine Blütezeit und wurde zur dominierenden Bauweise für Wohngebäude, vor allem in städtischen und dörflichen Strukturen.

Im 15. und 16. Jahrhundert war das Fachwerk besonders in Deutschland weit verbreitet, wobei regionale Unterschiede in der Konstruktion und Gestaltung zu beobachten sind. Diese regionalen Variationen sind oft an den Formen der Streben, der Anordnung der Balken und der Art der Gefachfüllungen erkennbar.

Territoriale Besonderheiten und Verbreitung

Fachwerkhäuser sind in vielen Teilen Europas zu finden, wobei Deutschland eine der größten Dichten aufweist. Bekannte Regionen mit einer hohen Anzahl von Fachwerkhäusern sind:

  • Deutschland: Besonders im südlichen Niedersachsen, Hessen, Rheinland-Pfalz und im Schwarzwald sind viele Fachwerkhäuser erhalten. Städte wie Quedlinburg, Wernigerode oder Rothenburg ob der Tauber sind bekannt für ihre gut erhaltenen Fachwerkbauten.
  • Frankreich: In Regionen wie der Normandie und dem Elsass ist das Fachwerk ebenfalls stark vertreten. In Straßburg und Colmar finden sich zahlreiche prächtige Fachwerkbauten.
  • Großbritannien: Hier ist das Fachwerk unter dem Begriff „Tudor style“ bekannt, besonders in der Region um Shrewsbury und Chester.

Besondere Konstruktionsformen

Manche Fachwerkhäuser haben eine untere Etage aus Stein oder Mauerwerk, während das Obergeschoss in Fachwerkbauweise ausgeführt ist. Diese Konstruktion war vor allem in Regionen verbreitet, wo das Fundament besonders stabil sein musste oder wo feuchte Bodenverhältnisse eine Steinbasis erforderten. Ein solider Unterbau schützt das Gebäude vor aufsteigender Feuchtigkeit und bietet eine stabilere Basis für die darüber liegende, leichtere Fachwerkkonstruktion.

Andere Fachwerkhäuser bestehen komplett aus Holz, wobei die Gefache mit Lehm-Stroh-Gemischen, Steinen oder Ziegeln gefüllt sind. Diese Bauweise bot Flexibilität und wurde oft in Regionen angewendet, wo Holz leicht verfügbar war und ein guter Feuchtigkeitsschutz gegeben war.

Fachwerk und Stadtbrände

Die Bauweise der Fachwerkhäuser hatte auch ihre Risiken. Besonders in Städten führte die enge Bebauung, kombiniert mit der Verwendung von Holz als Hauptbaustoff, zu einer hohen Brandgefahr. Stadtbrände waren im Mittelalter und der frühen Neuzeit keine Seltenheit und konnten ganze Straßenzüge oder Städte zerstören. Die Brandschutzvorschriften wurden im Laufe der Zeit verschärft, und vielerorts wurden Fachwerkhäuser nach Bränden durch Steinbauten ersetzt oder umgebaut, um das Risiko zu verringern.

Heutige Bedeutung, Denkmalpflege und Werterhaltung

Heute sind Fachwerkhäuser ein wertvolles Kulturgut, das unter Denkmalschutz steht. Sie sind nicht nur ein Symbol für traditionelle Baukunst, sondern auch für die Geschichte der Orte, in denen sie stehen. Die Denkmalpflege spielt eine zentrale Rolle beim Erhalt dieser Gebäude. Restaurierungen und Sanierungen von Fachwerkhäusern müssen unter strengen Auflagen erfolgen, um die historische Bausubstanz zu bewahren.

Die Werterhaltung von Fachwerkhäusern ist wichtig, da sie nicht nur kulturellen, sondern auch wirtschaftlichen Wert haben. Sie ziehen Touristen an und sind in vielen historischen Altstädten ein wesentlicher Teil des Stadtbildes. Zudem gibt es einen wachsenden Markt für sanierte Fachwerkhäuser als Wohnimmobilien, da sie einen besonderen Charme und eine hohe Wohnqualität bieten.

Alternativen und heutige Nutzung

In der Zeit, als Fachwerkhäuser weit verbreitet waren, gab es auch Alternativen wie die Massivbauweise mit Stein, die in Regionen mit guter Verfügbarkeit von Natursteinen angewendet wurde. Heute werden Fachwerkhäuser entweder originalgetreu restauriert oder in modernen Interpretationen nachgebaut, wobei moderne Baumaterialien und Techniken zum Einsatz kommen, um die Wohnqualität zu verbessern.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Fachwerkhäuser nicht nur ein architektonisches Erbe sind, sondern auch ein lebendiges Zeugnis der handwerklichen Baukunst und der sozialen Geschichte der Regionen, in denen sie vorkommen. Ihr Erhalt und ihre Pflege sind von großer Bedeutung, um dieses kulturelle Erbe für zukünftige Generationen zu bewahren.

Charles Knepper

öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger der Handwerkskammer Halle/Saale seit 1997

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