Fachwerkfassaden mit Schnitzereien

achwerkfassaden mit Schnitzereien sind ein herausragendes Merkmal vieler historischer Städte in Deutschland. Diese kunstvollen Verzierungen haben nicht nur ästhetischen Wert, sondern tragen auch symbolische Bedeutungen, die tief in der regionalen Kultur und Geschichte verwurzelt sind. Besonders in Städten wie Wernigerode, Quedlinburg und Einbeck sind die Fachwerkfassaden reich mit Schnitzereien geschmückt, die eine Vielzahl von Symbolen darstellen.

Symbole und ihre Bedeutung

1. Die Sonne als Symbol

In Städten wie Wernigerode und Quedlinburg ist die Darstellung der Sonne ein häufig anzutreffendes Motiv auf den Fachwerkfassaden. Die Sonne symbolisiert Licht, Leben und Wohlstand. Ihre Darstellung auf den Balken und Fassaden dieser Häuser sollte Glück und Schutz für die Bewohner bringen. In der Tradition der Baukultur war die Sonne ein positives Zeichen, das sowohl den Einfluss des Christentums als auch heidnische Sonnenkulte widerspiegelte. Die Schnitzereien zeigen die Sonne oft stilisiert, manchmal als strahlendes Gesicht oder als Kreis mit strahlenartigen Linien, die in alle Richtungen ausgehen.

In Wernigerode und Quedlinburg findet man diese Symbole insbesondere an den Giebeln und Querbalken der Häuser, wo sie gut sichtbar und prominent platziert sind. Diese Städte, die für ihre gut erhaltenen Fachwerkhäuser bekannt sind, bewahren damit nicht nur handwerkliche Kunst, sondern auch symbolische Traditionen.

2. Hakenkreuze (Swastika)

Das Hakenkreuz ist ein sehr altes Symbol, das in vielen Kulturen als Zeichen für Glück und Wohlstand galt. In Fachwerkfassaden, wie sie beispielsweise in der Innenstadt von Einbeck zu finden sind, wurde das Hakenkreuz oft als dekoratives Element verwendet, lange bevor es im 20. Jahrhundert durch den Nationalsozialismus negativ konnotiert wurde.

In seiner ursprünglichen Form, als Swastika bekannt, symbolisierte das Hakenkreuz den Kreislauf des Lebens, die Bewegung der Sonne und die Einheit von Gegensätzen. Diese Bedeutung war in vielen alten Kulturen weltweit verbreitet, von Indien bis nach Europa. Auf den Fachwerkfassaden von Einbeck und anderen Städten findet man das Hakenkreuz häufig als Teil des Schnitzwerks in den Balken, wo es in geometrische Muster integriert wurde.

Heute sind diese Darstellungen oft ein heikles Thema, da das Symbol durch seine Vereinnahmung im Nationalsozialismus eine gänzlich andere Bedeutung erhalten hat. Historisch gesehen war es jedoch ein positives und weit verbreitetes Glückssymbol, das in vielen alten Fachwerkhäusern zu finden ist.

3. Weitere Symbole und Ornamente

Neben der Sonne und dem Hakenkreuz gibt es auf den Fachwerkfassaden auch zahlreiche andere Symbole, die oft regional unterschiedlich sind. Dazu gehören:

  • Rosen: Die Rose ist ein christliches Symbol für Reinheit und Liebe und wird oft auf Balken geschnitzt, insbesondere in Süddeutschland.
  • Maskaronen: Diese grotesken oder humorvollen Gesichter sind häufig an Giebeln und Balken zu finden. Sie sollten böse Geister abwehren und das Haus schützen.
  • Ranken und Blätter: Pflanzliche Motive wie Eichenblätter, Weinranken oder Akantusblätter symbolisieren Fruchtbarkeit, Wachstum und den Kreislauf der Natur.
  • Tierdarstellungen: Tiere wie Löwen, Drachen oder Vögel symbolisieren Schutz, Macht oder spirituelle Bedeutung. Solche Schnitzereien sind oft an bedeutenden Gebäuden wie Rathäusern oder Kirchen zu finden.

Historische und kulturelle Bedeutung

Die Schnitzereien an den Fachwerkfassaden sind Ausdruck der Volkskunst und spiegeln die religiösen, kulturellen und sozialen Überzeugungen der Menschen wider, die diese Häuser bauten. Sie dokumentieren auch den Stolz und die Fertigkeit der Handwerker, die diese Häuser errichteten.

Bedeutung in der Denkmalpflege

In der heutigen Zeit spielen die Schnitzereien an Fachwerkfassaden eine wichtige Rolle in der Denkmalpflege. Die Erhaltung dieser Kunstwerke ist ein zentrales Anliegen, da sie ein bedeutendes Kulturerbe darstellen. Restauratoren bemühen sich, diese Schnitzereien möglichst originalgetreu zu erhalten oder wiederherzustellen, um den historischen Wert und die Authentizität der Gebäude zu bewahren.

Die Schnitzereien an Fachwerkhäusern sind nicht nur dekorative Elemente, sondern auch kulturelle Zeugnisse, die einen tiefen Einblick in die Gedankenwelt und die Lebensweise der Menschen vergangener Epochen geben. In Städten wie Wernigerode, Quedlinburg und Einbeck sind sie ein unverzichtbarer Teil des historischen Stadtbildes und tragen zur Einzigartigkeit dieser Orte bei.

Charles Knepper

öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger der Handwerkskammer Halle/Saale seit 1997

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